
Nach Angriff in Kaschmir: Indien und Pakistan überziehen sich mit Strafmaßnahmen

Nach dem tödlichen Angriff auf Touristen im indisch kontrollierten Teil von Kaschmir ist der seit Jahrzehnten schwelende Konflikt zwischen den beiden Nachbarstaaten Indien und Pakistan am Donnerstag eskaliert. Die Regierungen in Neu Delhi und Islamabad überzogen sich gegenseitig mit Strafmaßnahmen: Indien ordnete die Ausweisung aller pakistanischen Staatsangehörigen bis zum kommenden Dienstag an, während Pakistan indische Diplomaten des Landes verwies und eine Aussetzung des Handels ankündigte. Die indische Polizei fahndete nach drei Angreifern der pakistanischen Extremistengruppe Lashkar-e-Taiba (LeT) und setzte ein Kopfgeld in Höhe von zwei Millionen Rupien (mehr als 20.000 Euro) aus.
Der Angriff auf die Touristen wurde am Dienstag im beliebten Urlaubsort Pahalgam verübt, etwa 90 Kilometer von der Stadt Srinagar entfernt. Die Angreifer töteten 26 Inder und einen Nepalesen. Zu der Tat bekannte sich zunächst niemand. Es war der folgenschwerste Angriff in Kaschmir seit mehr als 20 Jahren. Normalerweise verüben die in der zwischen Indien und Pakistan umstrittenen Kaschmir-Region aktiven militanten Gruppen Angriffe geringeren Ausmaßes auf indische Sicherheitskräfte. Von indischer Seite wurde die Verantwortung Pakistan zugewiesen, das in Kaschmir "grenzüberschreitenden Terrorismus" unterstütze.
Am Donnerstag teilte das Außenministerium in Neu Delhi mit, dass "alle pakistanischen Staatsangehörigen, die sich derzeit in Indien aufhalten, das Land vor Ablauf ihrer Visa verlassen müssen". Ihre Ausreise müsse bis zum 29. April erfolgen. Die Regierung in Islamabad erklärte ihrerseits mehrere indische Diplomaten zu unerwünschten Personen, die das Land "sofort" verlassen müssten. Außerdem sollen alle Visa für indische Staatsbürger mit Ausnahme von Sikh-Pilgern annulliert werden, die Grenze soll geschlossen und der Handel ausgesetzt werden, wie das Büro von Regierungschef Shehbaz Sharif weiter mitteilte. Der Luftraum über Pakistan sei für alle indischen oder von Indern betriebenen Fluglinien geschlossen worden.
Zudem teilte die Regierung in Islamabad mit, jeder Versuch Indiens, durch ein Aussetzen des Wasserabkommens für den Indus-Fluss in Kaschmir die pakistanischen Wasserressourcen zu gefährden, werde als "Kriegsakt" bewertet. "Wir haben ein Recht auf Wasser und wir werden es, so Gott will, einfordern, selbst, wenn das Krieg bedeutet", sagte ein 25-jähriger Mann bei Protesten gegen die indischen Strafmaßnahmen im pakistanischen Lahore. Im ganzen Land gingen am Donnerstag hunderte Menschen auf die Straßen.
Die indische Regierung hatte bereits am Mittwoch eine Reihe von Strafmaßnahmen beschlossen. Unter anderem verkündete das Außenministerium in Neu Delhi die Schließung des wichtigsten gemeinsamen Grenzübergangs sowie die Aussetzung eines Abkommens zur Verteilung von Wasserressourcen mehrerer Himalaya-Flüsse.
Premierminister Narendra Modi erklärte, Indien werde die Verantwortlichen des Angriffs "bis ans Ende der Welt verfolgen" und "alle Terroristen und deren Unterstützer bestrafen". Die indische Polizei vermutet, dass die pakistanische LeT für die Attacke vom Dienstag verantwortlich ist und fahndet nach zwei Pakistanern und einem Inder, die verdächtigt werden der von der UNO als Terrormiliz eingestuften Gruppe anzugehören.
Mit dem Angriff vom Dienstag erreichten die Beziehungen zwischen den beiden seit Jahrzehnten rivalisierenden Atommächten einen neuen Tiefstand. "Dieser Angriff wird die Beziehungen in die dunklen Tage zurückversetzen", sagte der Analyst der International Crisis Group, Praveen Donthi.
Die nördliche Himalaya-Region Kaschmir, die mehrheitlich von Muslimen bewohnt wird, ist seit der Unabhängigkeit Indiens und Pakistans im Jahr 1947 geteilt. Beide Länder beanspruchen das Gebiet vollständig für sich und haben bereits zwei Kriege um die Kontrolle der Bergregion geführt.
Indien hat eine halbe Million Soldaten in der Region stationiert und geht dort seit 1989 gegen Rebellengruppen vor. Dabei wurden zehntausende Zivilisten, Soldaten und Rebellen getötet. Die indische Regierung beschuldigt Pakistan regelmäßig, in Kaschmir bewaffnete Aufständische zu unterstützen, was die Regierung in Islamabad zurückweist.
L.Mitchell--SMC